Gaëlle Thalmann steht aktuell mit der Schweiz an Platz 1 der WM-Qualifikation. Auch im Verein hat die Torfrau großes vor. Im Viertelfinale der Champions League trifft sie mit ihrem Club ASD Torres Calcio auf den deutschen Vertreter aus Potsdam.

 Im Gespräch mit Gaëlle Thalmann

Gaelle Thalmann (Quelle: zvg)

Aktuell liegt die Schweiz mit 12 Punkten an der Spitze der WM-Qualifikationsgruppe trotz der Konkurrenz aus Dänemark und Island.
Für Sie überraschend oder ein Erfolg, der sich abgezeichnet hat?

In unserer Gruppe sind Dänemark und Island die Favoriten. Dennoch haben wir als Ziel, uns für die WM zu qualifizieren. Wir betrachten dieses Ziel als schwierig, aber realistisch, weshalb unsere momentane Tabellensituation für mich keine Überraschung ist.

Durch unsere Resultate im Vorbereitungsjahr 2013 konnten wir mit Selbstvertrauen in die bisherigen WM-Qualifikationsspiele hineingehen, der Trainerstaff hatte uns taktisch hervorragend eingestellt. Wir wissen aber auch, dass sowohl Dänemark als auch Island den Trainer gewechselt hat, und dass es etwas dauern kann, bis eine Mannschaft das umsetzt, was der Trainer will.

Ausserdem würde ich noch nicht von Erfolg reden, denn es ist bisher nichts erreicht, wir haben nicht mal die Hälfte der Spiele bestritten. Wir haben einen kleinen Schritt gemacht, allerdings müssen weitere folgen, damit es ein Erfolg wird, ansonsten bringt uns die momentane Tabellensituation nichts.

Was würde eine Qualifikation zur WM für den Schweizer Frauenfußball bedeuten?

Das wäre eine Premiere und sicherlich ein Erfolg. Das könnte noch mehr Aufschwung mit sich bringen.

Wie wird der Sport im Allgemeinen in der Schweiz wahrgenommen? Wie sehen die Veränderungen/Entwicklungen aus?

Der Sport im Allgemeinen wird durch die Erfolge unterschiedlicher Athleten, wie Federer, Wawrinka, Cologna, und vielen anderen, positiv wahrgenommen. Allerdings herrscht bei vielen das Gefühl, dass Profisportler Faulenzer sind, weil sie keiner richtigen Arbeit nachgehen.
Wenn ich sehe, wie die deutschen Athleten unterstützt werden, hinken wir noch hinterher, doch es wurde bereits einiges gemacht.

Die Schweizer Sporthilfe, Swiss Olympic und die weiteren Verbände versuchen, die besten Bedingungen und die beste Unterstützung zu schaffen. Wenn wir auf internationalem Niveau konkurrenzfähig sein wollen, müssen flexible Lösungen im Studium oder in der Ausbildung für Spitzensportler geschaffen werden.

Profifussballvereine ermöglichen nun, jungen Mädchen am Morgen zu trainieren, weil sie eine Sportschule besuchen, das war zu meiner Zeit undenkbar. Wir haben in der Schweiz seit einigen Jahren ein Ausbildungszentrum für Mädchen. Der Schweizer Fussballverband versucht, die Nationalspielerinnen da zu helfen, wo er helfen kann (bei Jobsuche, Trainingseinheiten, usw.). Meiner Meinung nach braucht der Frauenfussball, nicht nur in der Schweiz, mehr kompetente Trainer.

Wie schätzen Sie die bisherige Entwicklung der Nationalmannschaft ein? Was macht den aktuellen Erfolg im Moment aus?

In den letzten Jahren verlief die Entwicklung sicherlich positiv. Wir haben innerhalb der Mannschaft mehr Konkurrenz, was von einer steigenden Qualität bezeugt. 2013 konnten wir das endlich in Resultate umsetzen, das müssen und wollen wir nun bestätigen.

Wir haben seit einigen Jahren den gleichen Kern, wir sind als Gruppe weitergekommen. Die Jungen, die nachkommen, sind gut ausgebildet. Und im Moment haben wir einfach Spass, miteinander zu spielen.

Viele Spielerinnen, Sie selbst auch, spielen im Ausland. Ein Vorteil für die Schweiz?

Für die Nationalmannschaft ist es sicherlich ein Vorteil, wenn eine Schweizer Spielerin in einer stärkeren Liga spielt. Fussballerisch ist es positiv, aber auch für die Spielerin als Persönlichkeit, denn sie verlässt ihr gewöhntes Umfeld und muss in einem neuen Land mit einer anderen Kultur reifen.

Durch erfolgreiche Schweizer Fussballerinnen im Ausland können wir vielleicht für die Mädchen, die Fussball spielen, Identifikationsfiguren, Vorbilder schaffen.

Ich weiss allerdings nicht, ob es für die Schweizer Liga so gut ist, wenn die Besten dann immer weggehen.

Apropos Vereinsfußball. Bisher spielten Sie in den Ligen der Schweiz, Deutschlands und aktuell in Italien. Wenn man diese drei vergleichen würde, was zeichnet die jeweilige Liga aus.

Der Frauenfussball in Deutschland ist physischer und robuster, in Italien eher technisch-taktisch orientiert. Die Schweizer Liga ist meiner Meinung nach in diesen Bereichen schwächer als die deutsche und die italienische.

Doch nicht nur das Land ist entscheidend, sondern auch der Verein, denn innerhalb einer Liga gibt es bereits Unterschiede. In Italien gibt es noch zu viele Vereine in der 1. Liga, ab nächster Saison wird reduziert, was der Liga nur zugute kommen kann. In Deutschland gibt es auch starke Unterschiede zwischen Wolfsburg/Potsdam und Sindelfingen. Da muss es differenziert angeschaut werden.

Deutschland hat sicherlich die professionellsten Bedingungen. Die Infrastrukturen in der Schweiz sind allerdings ganz gut, weil viele Vereine sich einem männlichen Profiklub angeschlossen haben. Im Durchschnitt hat Deutschland mehr Zuschauer, dann kommt die italienische Liga, und am Schluss die Schweiz.

Insgesamt wird regional in allen drei Ländern dem Frauenfussball mediale Aufmerksamkeit geschenkt. Es kommt immer auf den Verein und dessen Erfolge drauf an. In Italien sind Frauensportarten allgemein etwas hinterher, weil die Gesellschaft sehr machohaft geblieben ist.

Aktuell stehen Sie mit ihrem Verein ASD Torres Calcio im Viertelfinale der Champions League. Gegner ist ausgerechnet ihr Ex-Club Turbine Potsdam. Freuen Sie sich auf dieses Duell?

Ich freue mich auf das Spiel. Es wird ein schwieriges sein, weil Potsdam unheimlich stark ist. Doch es sind diese Spiele, die dich reifen lassen. Ich freue mich ganz besonders auf das Karli, die Atmosphäre ist immer genial, denn Potsdam hat die besten Zuschauer.

Woran erinnern Sie sich, wenn Sie an die Zeit in Potsdam zurück denken?

Es gibt vieles, woran ich mich gern erinnere. Die harten Trainingseinheiten, den Meistertitel, die guten Mitspielerinnen, die tolle Stadt, die Nähe zu Berlin, das Karli, die gute Infrastruktur, die Zuschauer und Fans.

Wie hoch schätzen Sie die Chancen auf den Einzug in das Halbfinale des Wettbewerbes ein?

Für uns wird es ganz schwierig sein. Um weiterzukommen, müssten wir zwei perfekte Spiele liefern. Der Druck ist sicherlich auf Seite Potsdams, sie haben eine international starke Mannschaft. Doch die Spiele müssen erst gespielt werden.

Wer ist für Sie der aktuelle Favorit auf den Titelgewinn?

Für mich ist es Potsdam, auch aus dem Grund, weil sie Lyon aus dem Wettbewerb geschossen haben.

Ihr Vertrag läuft im Sommer dieses Jahres in aus? Wissen Sie schon, wie weitergehen wird?

Das ist richtig, mein Vertrag läuft aus. Noch weiss ich nicht, was ich nächste Saison machen werde. Mit meinem Verein muss ich erst noch reden.

Würde Sie ein bestimmter Verein bzw. Liga besonders reizen?

Natürlich gibt es Vereine, die mich reizen. Doch zwischen Wunsch und Realität liegt oft eine Welt.

 

Wir danken für das Gespräch und wünschen Ihnen viel Erfolg bei ihren Zielen.

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